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Nachtschicht im Verteilzentrum – warum ich als Gesundheitsmanager selbst mit angepackt habe


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Letzte Woche habe ich als betrieblicher Gesundheitsmanager im Verteilzentrum von dm-drogerie markt eine Nachtschicht in der Kommissionierung begleitet – allerdings nicht als Beobachter, sondern als Teil des Teams. Ich wollte nachvollziehen, welche körperlichen und mentalen Anforderungen die Nachtarbeit wirklich mit sich bringt – konzentriert zu bleiben, während sich alles im gleichmäßigen Rhythmus der Förderbänder bewegt.Mein Arbeitsplatz: eine Einzelstation der manuellen Depalettierung – körperlich fordernd, mental anspruchsvoll und für mich eine der wertvollsten beruflichen Erfahrungen der letzten Monate.

 

Eine Nacht im Takt der Kommissionierung

Die Nachtschicht begann mit einer kurzen, aber konzentrierten Schichtansage. Rund fünfzig Mitarbeitende standen Schulter an Schulter, während die Gruppenverantwortlichen über Abläufe, Zielzahlen und Schwerpunkte informierten. Man spürte Routine – und gleichzeitig ein starkes Gefühl von Zusammenhalt. Fast wie ein Mannschaftsbriefing vor dem Anpfiff.


Dann verteilten sich alle auf ihre Arbeitsplätze. Ich wurde an meine Station eingewiesen und stand wenig später vor der ersten Palette.Bei jeder Palette galt es zunächst zu kontrollieren, welche Ware sich darauf befand, wie viele Lagen manuell depalettiert werden mussten und wie viele Stück pro Lage vorgesehen waren. Die Vorgaben erschienen auf einem großen Monitor direkt am Arbeitsplatz – präzise, digital und klar strukturiert. Danach entfernte ich die Folie der zu depalettierten Lagen und startete über den Bildschirm den jeweiligen Prozess.

Die einzelnen Waren nahm ich von Hand von der Palette und legte sie sorgfältig auf das Förderband, das sie weiter in den weiteren Kommissionierungsprozess transportierte. Anfangs brauchte ich etwas Zeit, um die richtige ergonomische Position und den passenden Bewegungsfluss für mich zu finden. Jede Körperhaltung, jede Drehung wollte abgestimmt sein – Effizienz und Schonung zugleich.


Man muss dazu sagen, dass der Arbeitsplatz im Verteilzentrum von dm-drogerie markt bereits auf einem hohen ergonomischen Standard ist: Viele Höhen und Greifpositionen lassen sich individuell anpassen, die Abläufe sind sichtbar auf die Gesundheit der Mitarbeitenden abgestimmt. Diese technische und ergonomische Qualität hat mich beeindruckt – sie zeigt, wie viel Know-how und Wertschätzung hier in die Gestaltung gesunder Arbeitsplätze geflossen ist.

Nach Abschluss der Depalettierung beendete ich den Prozess am Monitor und schickte die Palette über eine Hängebahn auf ihre Weiterreise – ein kleiner Knopfdruck, und das System lief wieder rund. Ein Handgriff, der symbolisch steht für das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Prozess.


Um 1:15 Uhr war die erste Pause – und sie kam wie gerufen. In der Betriebskantine warteten kostenloses Baguette, Salat und Dessert. Eine kleine, aber wohltuende Geste, die zeigt: Auch in der Nacht wird an das Wohl der Mitarbeitenden gedacht. Für viele war es mehr als eine Mahlzeit – ein kurzer Moment des Durchatmens, der Regeneration und des Gemeinschaftsgefühls.


Nach 30 Minuten Pause begann der nächste Abschnitt der Schicht: draußen tiefe Nacht, drinnen helles Licht und ein eingespielter Rhythmus aus Bewegung und Konzentration. Gegen vier Uhr folgte eine letzte kurze Pause – 15 Minuten, um neue Kraft zu schöpfen und Energie für den Endspurt der Nachtschicht zu mobilisieren. Danach lief die Schicht bis kurz nach sechs weiter, bevor die Förderbänder allmählich verstummten.

Als ich das Gebäude verließ, färbte der erste Sonnenaufgang den Himmel über dem Verteilzentrum in weiches Orange. Ein stiller, fast symbolischer Moment – wie ein Versprechen, dass jede Nacht irgendwann endet.

 

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Warum diese Erfahrung unbezahlbar war

Für mich war diese Schicht weit mehr als ein persönliches Experiment. Sie war ein Perspektivwechsel. Ich habe gespürt, was Nachtschicht wirklich bedeutet: den Kampf gegen den eigenen Biorhythmus, das Nachlassen der Konzentration in den frühen Morgenstunden, die körperliche Ermüdung durch tausend gleichförmige Handgriffe – und gleichzeitig den Stolz, wenn das Team gemeinsam durchhält.

Als Gesundheitsmanager kann ich nun mit einem anderen Verständnis in Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitenden gehen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn die Müdigkeit kommt und trotzdem Leistung gefragt ist. Ich weiß, dass Pausen keine Nebensache sind, sondern ein entscheidender Beitrag zur Sicherheit und Gesundheit. Und ich weiß, dass Wertschätzung im Schichtsystem oft genau dort beginnt, wo jemand sagt: „Ich sehe, was du leistest.“


Diese Erfahrung hat mir deutlich gemacht: Gesundheit am Arbeitsplatz entsteht nicht durch Maßnahmen auf Papier, sondern durch Verstehen. Und Verstehen gelingt nur, wenn man selbst einmal die Handschuhe überzieht, den Scanner in die Hand nimmt und die Welt der Kolleginnen und Kollegen aus deren Perspektive erlebt.

 

 

Erkenntnisse für die Zukunft

In dieser Nacht sind viele Gedanken gereift. Ich habe mir notiert, welche kleinen Anpassungen große Wirkung haben können: besser abgestimmte Pausenzeiten, gezielte Aktivierungsübungen vor Schichtbeginn und in den Pausen, ergonomisch feinjustierte Bewegungsabläufe und leichte, nährstoffreiche Snacks für die Nacht.All das sind keine großen Projekte, sondern greifbare Schritte für mehr Gesundheit und Wohlbefinden im Schichtsystem.


Vor allem aber habe ich begriffen, dass gesunde Führung dort beginnt, wo echte Nähe entsteht. Wenn Führungskräfte verstehen, was Nachtschicht wirklich bedeutet, wächst automatisch Achtsamkeit – und mit ihr das Bewusstsein, selbst einen aktiven Beitrag zur Gesundheit ihrer Teams leisten zu können.

Oft sind es die kleinen, aber wirkungsvollen Impulse, die den Unterschied machen: ein kurzer Hinweis auf eine ergonomische Haltung, eine gemeinsame Aktivierungsübung vor Schichtbeginn oder die Ermutigung, die Pause bewusst an der frischen Luft zu verbringen. Führungskräfte, die solche Momente fördern, setzen damit ein starkes Zeichen – sie zeigen Interesse, Wertschätzung und Verantwortung. Genau dort entsteht die Kultur gesunder Führung: nicht durch Anweisungen, sondern durch gelebtes Vorbild und echte Fürsorge – SelfCare verschmilt mit StaffCare.

 

Mein persönliches Fazit

Diese Nachtschicht war wirklich anstrengend – aber sie hat mich reich gemacht: an Erkenntnissen, an Respekt und an Bewunderung für alle, die Nacht für Nacht ihren Beitrag zum reibungslosen Ablauf leisten.Sie hat mir gezeigt, dass betriebliches Gesundheitsmanagement nicht hinter Schreibtischen entsteht, sondern mitten im Geschehen – zwischen Paletten, Menschen und Maschinen.

Als ich in den frühen Morgenstunden nach Hause fuhr, müde, aber mit einem gewissen Stolz, diese Schicht durchgezogen zu haben, ging mir ein Gedanke nicht aus dem Kopf:

Gesundheit im Unternehmen lebt von echtem Verständnis – und das entsteht nur dort, wo wir selbst bereit sind, hinzuschauen, mitzumachen und mitzuspüren.

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